Amazons nie nachlassende Effizienz, der absolute Fokus auf Automatisierung und die Pricing-Strategien haben es dem Unternehmen ermöglicht, eine Branche nach der anderen aufzubrechen. Das begann 1997 mit der Buchbranche. Im kommenden Jahr wird Amazon diese bewährten Taktiken auf sein nächstes Ziel anwenden: die Werbebranche.

Um sich einen Weg in einen Sektor zu bahnen, der aktuell in weiten Teilen von Google und Facebook kontrolliert wird, unternimmt Amazon Schritte in Richtung eines Selbstbedienungstools für Programmatic Advertising. Über das nächste Jahr plant der E-Commerce-Gigant seine Infrastruktur deutlich auszubauen, um mehr Marken davon zu überzeugen, Werbeplätze auf seinen Websites und auf seiner Werbeplattform zu buchen. Um diese Ziele zu erreichen wird Amazon mit Ad-Tech Unternehmen, Digitalagenturen und Media-Agenturen zusammenarbeiten, um Plattformen zu bauen, die den Einkauf von Amazon-Anzeigen so einfach machen wie den Einkauf von Produkten im Online-Shop.

Die Branche bereitet sich auf Veränderungen vor. Google’s DoubleClick unterstützt den Kauf von Such-Anzeigen auf Yahoo und Microsofts Bing und baut derzeit ähnliche Möglichkeiten für Amazon aus, sie sollen noch in diesem Jahr gelauncht werden.

Trotz Amazons ehrgeizigen Plänen liegen Facebook und Google auf dem Anzeigenmarkt deutlich in Führung; Amazons Eintritt in das Programmatic Advertising-Geschäft wird dennoch Spuren hinterlassen. Der gemeinsame Anteil des „digitalen Duopols“ am US-Werbeumsatz wird möglicherweise bis 2020 von aktuell 56,8 Prozent auf 55,8 Prozent sinken, so eine Vorhersage von eMarketer. Amazons Anteil könnte im gleichen Zeitraum von aktuell 2,7 Prozent auf dann 4,5 Prozent steigen.

Google und Facebook standen noch nie einer derartigen Invasion gegenüber. Amazon, der laut eMarketer-Auflistung fünfgrößte digitale Werbe-Player, wird dieses Jahr voraussichtlich 2,7 Prozent des US-Markts an sich reißen. Aber bis 2020 wird Amazon laut eMarketers Einschätzung mit einem digitalen Werbeumsatz von 6,4 Milliarden US-Dollar auf den dritten Platz der Liste springen und dabei Verizon und Microsoft hinter sich lassen.

Zudem sieht es jetzt schon so aus, als würde Amazon die Einschätzung der Analysten übertreffen: eMarketer sagte Amazon für dieses Jahr einen weltweiten Werbeumsatz von 3,7 Milliarden US-Dollar voraus, in seinem Geschäftsbericht vom 26. April deutete das Unternehmen allerdings an, dass das Werbegeschäft allein im ersten Quartal mehr als 2,03 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet hat. Amazon listet den Werbeumsatz im Geschäftsbericht unter dem Punkt „andere“ Umsatzquellen, gibt aber an, dass die Werbeeinnahmen die „Mehrheit“ dieses Segments stellen.

Werbeagenturen nehmen laut Forrester mittlerweile Notiz von Amazons Werbeplattform und von den Daten, die darüber im Vergleich zu Google ermittelt werden können. Amazon sei „im Vergleich zu jedem anderen Werbeplayer reicher an Verkaufs- und Verhaltensdaten“.

Amazon hat deutlich tiefere Erkenntnisse darüber, was Konsumenten tatsächlich kaufen als jede andere Plattform. Sein großer Vorteil besteht darin, dass es keine aufwändige Verbindung über externe und unsichere Quellen zwischen dem Zeitpunkt, zudem ein Kunde eine Anzeige gesehen hat, und dem Zeitpunkt, an dem er das beworbene Produkt tatsächlich gekauft hat, herstellen muss. Amazon selbst ist die Verbindung.

Neue Retargeting-Tools werden getestet

Der E-Commerce-Gigant entwickelt aktuell eine Retargeting-Anzeige, die Produkte basierend auf der Kauf- und Suchhistorie des Konsumenten anzeigen wird, berichtet Bloomberg. Solche Anzeigen werden auf verschiedenen Websites auftauchen, die der Konsument besucht, werden ihn effizient begleiten und verfolgen – und ihn zu Amazon zurückführen, wenn er auf die Anzeigen klickt.

Retargeting ist besonders bei Mode-Brands beliebt und Amazons zunehmender Fokus in diesem Bereich könnte das Interesse der wachsenden Zahl an Mode-Marketern auf der E-Commerce-Plattform wecken.

Amazon zielt darauf ab, folgende Prozesse zu verkürzen:

  • Produkt-Suche: Wenn der E-Commerce-Titan den Suchprozess auf Suchmaschinen dauerhaft besser voraussagen kann, könnte er mit Targeting-Ads eine stärkere Präsenz während der gesamten Customer Journey darstellen
  • Preis-Vergleich: Anzeigen, die den Konsumenten bei seiner Suche begleiten, könnten Amazon auch einen Vorteil verschaffen, wenn es darum geht, Schnäppchen-Jäger von sich zu überzeugen. Die Anzeige bleibt auf dem Schirm, während der Konsument nach Alternativen sucht und wird dadurch immer wieder in Betracht gezogen, bevor es zum Kaufabschluss kommt.

Amazon-Agenturen

In der Vergangenheit haben sich viele große Werbe-Agenturen wie 360i, Resolution Media, Iprospect, VML oder WPP beeilt, Amazon Werbeservices zu entwickeln. Egal welche große Digital-Agentur man auch besucht, man wird mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein spezielles Team oder eine Abteilung treffen, die verspricht, Marken durch Amazons stetig wachsende Werbeangebote zu führen.

Amazon wird zudem demnächst Premium-Programm für Fortune 500-Marken und jene Vendoren starten, die Produkte im Wert von hunderten Millionen US-Dollar über die E-Commerce-Plattform verkaufen. Außerdem erweitert Amazon seine Werbe-Teams. Im September 2017 kündigte Amazon den Umzug seines Ad Operations-Hauptquartiers nach New York City für dieses Jahr an. Im neuen HQ in den Hudson Yards werden über die nächsten drei Jahre 2.000 neue Jobs entstehen.

Mit offenen Armen

Amazon plant außerdem seine Advertising-Basis durch die Öffnung der Amazon Ad Plattform zu erweitern, welche externes Display- und Video-Inventar anbindet. Die Plattform wird für jeden, der auf Amazon Produkte verkauft, geöffnet werden. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob das Unternehmen über Amazon oder direkt an Amazon verkauft – es wird in jedem Fall die Zahl an sichtbaren Amazon-Anzeigen vergrößern.

Amazon unternimmt Schritte, um seinen Pool an externem Ad-Inventar zu erweitern, indem es Google bei den Werbegebühren unterbietet, um Partner für seine Amazon Publisher Services zu gewinnen, eine Division, die Werbemarktplatz-Services anbietet, welche in direkter Konkurrenz zu DoubleClick for Publishers stehen.

Momentan bietet Google eine ähnliche Ad-Bidding-Technologie für Publisher an, behält aber bis zu fünf Prozent des Werbedeals für sich; Amazon plant für den Moment keinerlei Provision, um die Zahl seiner Werbekunden zu erhöhen.

Amazon lockt die Publisher zudem mit seinen eigenen Werbedollars, indem es verspricht, das eigene Werbebudget auf ihren Seiten auszugeben – unter der Voraussetzung, dass sie im Gegenzug bei Amazons Werbemarktplatz mitmachen.

Fazit

Amazons Argument bei seiner Werbung um Marken und Agenturen ist die Rundum-Sicht auf die Geldbörse der Kunden: Es kann wirklich herausfinden, wonach User suchen und was sie tatsächlich kaufen.

Amazon ist in einer privilegierten Position, weil es an der Schnittstelle zwischen Media und Retail sitzt, was wiederum Werbefachleute in helle Aufregung versetzt; schließlich liefert Amazon damit die Möglichkeit, den klassischen Werbetrichter aufzulösen und die perfekte Werbezuordnung zum Kunden zu erlauben.

Bei diesem Text handelt es sich um eine Übersetzung des bei tnw erschienen Artikels Inside Amazon’s plan to dominate advertising business in 2019.

 

Bildquelle: Lucky_Nastia @ bigstockphoto

Peter Höschl