Welchen Wert hat eine Marke noch in einer Zeit, in der Amazon und andere Marktplätze den Online-Handel zunehmend bestimmen? Diese Frage, die Peter Höschl auf shopanbieter.de kürzlich ausführlich diskutiert hat, lässt sich mit einer beliebigen Produktsuche auf Amazon leicht illustrieren:  Sucht man auf Amazon.de beispielsweise nach „kabellose Kopfhörer“, bekommt man über 10.000 Ergebnisse, viele sind äußerlich und anhand der technischen Features kaum voneinander zu unterscheiden.

Wenig klingende Namen wie Holyhigh, Zling, CYDZ, Havit, Mpow, Ifecco und Aukey dominieren die Liste, und sie alle kosten deutlich weniger als Produkte der etablierten Marken wie Bose oder JBL, die in den Suchergebnislisten übrigens abgeschlagen erst auf den hinteren Plätzen erscheinen.

Das Beispiel zeigt: Amazon ersetzt das bisher gültige Markenvertrauen durch Algorithmen. Kunden sollen nicht mehr wie früher gezielt die Markenprodukte auswählen, denen sie vertrauen, stattdessen will Amazon die Auswahl für sie treffen – basierend auf Algorithmen. Produktrezensionen und -bewertungen werden zum Schlüssel zu den besten Produkten in Amazons immer umfangreicher werdenden Sortiment.

„Marken waren das Vertrauensbarometer der Vergangenheit, heute treten an ihre Stelle Algorithmen und Produktbewertungen“, ist Klaus Forsthofer von Marktplatz1 überzeugt. „Allerdings: Auch Bewertungen sind Assets, die man wiederum für den Markenaufbau nutzen kann.“

Des einen Leid ist dabei des anderen Freud: Während etablierte Marken mit dem Bedeutungsschwund ihrer mühsam und teuer aufgebauten Brand zu kämpfen haben, nutzen vor allem kleine Hersteller und Händler die Währungen Produktbewertungen, Algorithmus und Preisattraktivität zum Aufbau von eigenen Private Labels.

Fast stündlich werden neue Eigenmarken von kleinen, jungen Herstellern auf Amazon gelauncht – eine Tatsache, die Joe Kaziukenas, Gründer des US-E-Commerceportals „Marketplace Pulse“, kürzlich zu der zugespitzten Aussage brachte, Amazon sei „eine Brutstätte für schwache Marken“. Sicherlich eine steile These, die aber nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Denn klassischer Markenaufbau kostet Zeit und Geld – einen Algorithmus richtig anzusprechen ist oft viel einfacher und schneller.

Aus der Maße herausragen mit Sichtbarkeitsstrategien

Etablierte Marken, die gegen die Algorithmus-Profis auf Amazon bestehen wollen, dürfen sich nicht auf die Strahlkraft ihrer Marke verlassen, sondern müssen aktiv werden, rät Klaus Forsthofer:

„Sie brauchen perfekt gestaltete Listings, einen eigenen Brandstore und ausgezeichneten Content, sie sollten an Amazons Rezensions-Programm VINE teilnehmen und AMS (Amazon Marketing Services) für das Marketing nutzen sowie mit externem Traffic (z.B. Landingpages, Facebook, Instagram etc.) für mehr Sichtbarkeit bei Amazon sorgen“, so der Berater. „Ohne die ganze Klaviatur geraten sie gegenüber den kleineren, neuen Marken auf Amazons ins Hintertreffen.“

Hier geht es zum sehr ausführlichen Interview Marken und der Algorithmus: Was sind Marken im Amazon-Zeitalter noch wert? mit Peter Höschl und Klaus Forsthofer bei shopanbieter.de

Peter Höschl