In diesem Interview mit Markenexpertin und MarktPlatz1-Netzwerkpartnerin Constanze Wolff verrät sie uns, warum es noch nie so leicht war, sich als Newcomer mit einer Marke auf Amazon zu etablieren und welche Vorteile sich daraus ergeben.

Über Constanze Wolff

Constanze ist als diplomierte Modedesignerin die Gründerin und Inhaberin von verschiedenen Labels in der Textilbranche und damit ein echtes Allround-Talent was den Aufbau einer Marke angeht. Als Kreativkopf und Powerfrau steht sie nicht nur hinter ihren eigenen Marken, sondern bietet auch anderen Projekten einen echten Mehrwert. So hat sie in der Vergangenheit unter anderem den Verein “Women in Digital e.V.” mitgegründet und das Förderprogramm “Unternehmerinnen der Zukunft” als Amazon-Coach unterstützt.

Liebe Constanze, verrate uns mal, warum werden Eigenmarken Deiner Meinung und Erfahrung nach immer wichtiger?

„Noch nie gab es so viele Produkte wie zum jetzigen Zeitpunkt. Damit man in dieser Masse nicht untergeht, ist es wichtig Wiedererkennbarkeit aufzubauen, das schafft man nur mit einer Marke. Da nur wenige Menschen einem No-Name-Produkt vertrauen, ist es von großer Bedeutung mit der eigenen Marke präsent zu sein und damit nicht nur Qualität, sondern auch Vertrauen zu vermitteln. Nur so können das Markenimage gesteigert und auch gleichzeitig die Preise der Produkte angezogen werden. Heutzutage findet der Markenaufbau primär digital statt, weshalb der Invest oft geringer als früher ist und der gesamte Prozess schneller abgewickelt werden kann, da Marken ihre Offline-Präsenz erst aufbauen und nachrüsten, wenn Online bereits ein gutes Image aufgebaut ist.“

Womit sollte man anfangen?

„Die Idee zu einem Produkt und den Besitz von Kapital vorausgesetzt, sollte im ersten Schritt eine Markt – sowie Wettbewerbsanalyse gemacht werden. Hier geht es darum sich den Ist-Zustand des Marktes anhand eines kontinuierlichen Vergleichs von Produkten oder Dienstleistungen anderer Wettbewerber zu erschließen und somit seine eigene Lücke und Möglichkeit zu finden. Folgende Faktoren sollte man hier berücksichtigen: Eigene Ziele, Marktpotenzial, Lieferanten, Wettbewerber, SWOT Analyse auch im Hinblick auf die persönlichen oder Team Stärken-Schwächen.“

Wie geht es weiter?

„Sobald man sich den Markt erschlossen hat und weiß wovon man redet und wo man sich in Zukunft positioniert, geht es darum sich genauer als Marke zu definieren. Man sollte sich Gedanken darüber machen, welche Zielgruppen man mit dem Produkt erreichen möchte und im Zuge dessen auch mit welcher Bildsprache, Typografie und Farbcodes man arbeitet. In diesen Punkten sollte definitiv ein roter Faden zu sehen sein, damit sich die Zielgruppe damit identifizieren kann. Es ist nicht entscheidend, dass jeder die Schriftart oder das Logo individuell schön findet, sondern es geht darum, dass sich die Zielgruppe mit dem Gesamtbild der Marke identifizieren kann. Die Wortmarke oder Wort-Bildmarke muss einfach zu der Marke selbst passen und eine Symbiose ergeben, weshalb es manchmal Sinn macht dieses Thema out zu sourcen und in erfahrene Hände zu legen.

Mein Tipp: Eine Wort-Bildmarke wird durch ihre bildliche und wörtliche Individualität oft schneller freigegeben als eine reine Wortmarke.

Im nächsten Schritt geht es dann an die genaue Produktentwicklung. Dazu gehört alles rund um den Kollektionsaufbau, die Preispolitik, die Produktvarianten, die Farben, das Logo, die Produktausstattung uvm. Gerade letzteres spielt bei der Anmeldung und Freigabe einer Marke bei Amazon eine große Rolle, da bereits ein fixiertes oder aufgedrucktes Label auf dem Produkt oder eine Produktverpackung mit Logo zu erkennen sein muss.“

Wann folgt dann die Markenanmeldung?

„Viele fragen mich immer warum ich schon so viele Details festlege, bevor ich die Marke überhaupt angemeldet habe. Nun, ich kann meine eigene Marke ja erst anmelden, wenn ich auch genau weiß wo ich stehe, was ich von meiner Marke erwarte und weiß wie ich sie nach Außen hin präsentieren will. Aber im Grunde genommen beginnt ab Tag 1 die eigene Recherche beim Deutschen Patent- und Markenamt, die auch in jedem Fall gerne auf Europa ausgeweitet werden kann. Denn stellt man in den ersten Prozessen schnell fest, dass eigene Ideen und Vorstellungen eventuell nicht umgesetzt werden können, dann kann man schnell in eine andere Richtung denken. Ich würde immer ab Tag 1 mit der parallelen Recherche beim DPMA + Domainanbietern beginnen, damit man sich nicht unnötig auf eine bestimmte Idee festfährt, die am Ende gar nicht umzusetzen ist. Fixiert man sich zu sehr auf eine Richtung, kann es passieren, dass man in einer Endlosschleife den Überblick über das große Ganze verliert und sich zu sehr auf Details konzentriert und so nur noch mehr Zeit verliert, weshalb ich Gründern immer rate den Freiraum für neue Ideen zu behalten und rechtzeitig umzudenken. Nicht umsonst sagt Jeff Bezos: “It is always day 1.”

Beim Thema Außenauftritt einer Marke rate ich als Coach immer lieber ein bisschen länger die Füße still zu halten. Solange man nicht die 100% Genehmigung und somit Sicherheit hat. Wer nicht korrekt recherchiert und trotzdem nach außen hin mit seiner Marke sichtbar ist, kann sich schnell eine Anklage wegen Markenrechtsverletzung einholen.“

Was hängt noch mit dem Aufbau einer Eigenmarke zusammen?

„Ich stelle immer wieder fest, dass viele das Ausmaß einer Eigenmarke und das Gesamtpaket was damit einhergeht, unterschätzen. Für den Auftritt der Marke sind Imagebilder von hoher Bedeutung und in jedem Fall unverzichtbar. Natürlich müssen die Produkte für den Verkauf auch visualisiert werden, weshalb eine Reihe von Fotoshootings unabdingbar ist. Und zu guter Letzt sollte man seine Kunden auch immer über verschiedene Kanäle bedienen können, wozu auch die Aktivität auf geeigneten Social Media Plattformen und passendes Bildmaterial gehört. Viele belächeln auch im Jahr 2018 noch die Kraft und das Potenzial von Social Media, dabei ist die Wichtigkeit von Social Media in Expertenkreisen schon lange gar keine Frage mehr. Auch Marktplätze wie Amazon promoten durch ihre eigenen Instagram Kanäle Produkte und agieren dort, wo die Zielgruppe auch in ihrer Freizeit ist. Es geht darum im ersten Schritt zu filtern welche Social Media Kanäle von Bedeutung sind und diese dann aufzusetzen und mit gutem Content sowie Bildmaterial eine tolle Community aufzubauen. Das alles braucht nicht nur viel Zeit, sondern z.B. auch unterschiedliche Bildformate für die jeweiligen Social Media Kanäle: Querformate für Banner und Titelbilder oder quadratische Bilder für den Online Verkauf und Instagram sowie Videocontent, da dieser mehr und mehr an Relevanz für Marketing Maßnahmen gewinnt.

Es dauert lange bis man mit gutem Content und tollem Bildmaterial eine starke Community auf Social Media aufgebaut hat. Deshalb sollte man sich schon früh positionieren und kontinuierlich genügend Content produzieren.”

Wie melde ich bei Amazon eine Marke an und wie lange dauert das?

„Hier gibt es eine eigenen “Brandservice” von  Amazon. Ein Amazon Konto ist Voraussetzung für eine Marken-Anmeldung.“

Checkliste für die Anmeldung

  • Eventuell GTIN-Befreiung (zB. bei Eigenmarken)
  • Registrierungsnummer des DPMA D oder EU EUIPO
  • Bei Wort-Bildmarke Grafik als .jpg bis 5MB
  • Produktbilder mit Logo, Verpackung mit Logo

 

 

Welche Vorteile hat man als Eigenmarke auf Amazon?

 „Auf Amazon kann man als Eigenmarke seinen eigenen Amazon Brandstore erstellen und dadurch noch mehr Übersicht für den Kunden schaffen. Durch z.B. individuell gestaltbare Elemente wie dem Header und Kacheln auf den einzelnen Unterseiten sowie Produktkategorien, scheint so ein Brandstore nach außen fast wie ein eigener, unabhängiger Shop der in Amazon integriert ist. So können Markenbotschaften oder Alleinstellungsmerkmale besser transportiert und noch bessere Kaufanreize geschaffen werden.

Amazon Brandstore Markenshop Beispiel Screenshot

Beispiele für Brandstores: Knirps, claro oder byMi

Ein weiterer Vorteil ist A+ Content (Vendoren) bzw. Enhanced Branded Content (EBC, Seller), mit erweiterten Feldern und Möglichkeiten der Einbindung von Bildern usw. So ist es einfacher seine Produkte genau zu beschreiben und durch fertige Templates Produktbeschreibungen mit Hilfe von Grafiken, Fotos und Illustrationen aufzuwerten und damit die Conversion Rate zu steigern.

Des Weiteren können verschiedene Services wie z.B. Headline Search Ads von Amazon Marketing genutzt werden. Headline Search Ads sind Keyword-basierte Anzeigen auf Cost-Per-Klick Basis, die an oberster Stelle der ersten Seite der Suchergebnisse erscheinen. Dabei kann die Zielgruppe anhand von Keywords so definiert werden, dass sie ebenso relevant für die beworbenen Produkte sind. Mit einer für den Kunden ansprechenden und interessanten Anzeigenüberschrift und passenden Bildern, kann die Anzeige weiterhin angepasst und vervollständigt werden.

Als Eigenmarke hat man außerdem keine Konkurrenz um den Warenkorb, da man als alleiniger Anbieter auftritt. Als Seller ist es hingegen so, dass man nur über den Preis oder das Ranking auf Amazon die Chance hat in die Buy Box zu kommen und somit immer dem Konkurrenzdruck ausgesetzt ist .

Zudem hat man die wunderbare Möglichkeit seine Produkte ganz individuell zu verpacken und durch diese direkte Kundenansprache nicht nur das Vertrauen zu stärken und die Qualität der Marke zu steigern, sondern der Marke eine eigene Persönlichkeit zu verschaffen.“

10 ERSTE SCHRITTE IM ÜBERBLICK / CHECKLISTE 

  1. Zielgruppen- und Benchmarkanalyse
  2. Definition Produktgruppen
  3. Corporate Identity (Bildsprache, Farben, Schriftarten)
  4. Entwicklung Logo
  5. Anmeldung der Marke (bis 3 Monate)
  6. Produktentwicklung
  7. Fotomaterial und Visuals
  8. Texte und Inhalte
  9. Anmeldung Marke bei Amazon (bis 2 Monate)*
  10. Brandstore eröffnen (48h)

*HINWEIS! Bei der Markenanmeldung wird von Amazon der Kontakt aus dem dpma per Mail angeschrieben – hier ist wichtig, dass alle relevanten Personen in Kenntnis gesetzt werden, damit der Anmeldungsprozess schnell abgewickelt werden kann.

Vielen Dank für das Interview und die tollen Praxistipps!

Karim-Patrick Bannour